Dieser Tage bin ich rastlos auf der Suche, um mein gesamtes Leseverhalten umzustellen. Zumindest was das Lesen von Online-Artikeln, RSS-Feeds und Newslettern betrifft. Und das, obwohl ich mich extra vor einiger Zeit für ein vielversprechendes Open-Source-Projekt entschieden habe, um dort alle meine Leseaktivitäten unter einem Dach zu vereinen.

Was war Omnivore?

Kurz gesagt: Omnivore war alles. Das klingt jetzt etwas übertrieben, ist aber gar nicht so weit hergeholt. Denn Omnivore hat im Vergleich zur Konkurrenz einfach viel mehr geleistet, und das alles ohne Mehrkosten für die Nutzer. Die meisten anderen Tools dieser Art haben sich vor allem auf eine Grundfunktion spezialisiert: Das Speichern von Weblinks, um diese später lesen zu können. Das geht zum Beispiel ganz einfach durch ein meist vorhandenes Browser-Plugin oder eine App auf Mobilgeräten. Einfach teilen und schon ist der Artikel auf der Liste. Oftmals bieten die Tools dann auch an, dass die Seiten vereinfacht in einer Leseansicht dargestellt werden, ohne Werbung und störende Elemente und dass man Textabschnitte und Worte hervorheben kann. Omnivore konnte das natürlich alles auch.

Ein paar Tools gehen sogar dann noch weiter und ermöglichen es, Artikel per Mail zu erstellen. Einfach einen Newsletter an eine vorgegebene E-Mail-Adresse abonnieren und alle neuen Ausgaben landen direkt mit auf der Liste und lassen sich dort wie eine Website lesen und auch hervorheben, kommentieren und so weiter. Omnivore konnte das natürlich auch, sogar mit individuellen Mail-Adressen pro Newsletter, um Spam besser eingrenzen zu können.

Und hier hört es noch nicht auf, auch die dritte große Domäne des News-Konsums im Netz wird vielen dieser Tools gut abgedeckt, aber das können schon deutlich weniger als die vorherigen Funktionen: RSS. Einige Tools bieten an, dass man Feeds abonnieren kann und neue Artikel auch so direkt auf der eigenen Liste landen. Natürlich konnte Omnivore das auch.

Ich denke es wird durch diese Aufzählung schnell klar, warum dieses Tool sehr mächtig ist und die einzige Konkurrenz, die auch alle Funktionen davon anzubieten scheint, benötigt ein Abonnement. Und Omnivore hatte auch schon Apps für Android und iOS, sowie Browser-Plugins für Firefox und Chromium. Also absolut alles, was man nur brauchen kann von solch einem Tool.

Wie ersetze ich Omnivore?

Vermutlich gar nicht. Zumindest nicht als ein Tool. Es war einfach so praktisch, alles an Web-Content den man gerne liest an einer einzelnen Stelle gebündelt haben zu können und auch direkt immer zu wissen, wo man suchen muss, wenn man später nochmals etwas nachschlagen will.

Die Entwickler von Omnivore haben noch als quasi letzte Amtshandlung ein Export-Tool eingebaut, um direkt zu Readwise umsteigen und dabei alle gespeicherten Dinge und Abonnements mitnehmen zu können. Doch auch wenn Readwise alle wichtigen Grundfunktionen gut abdeckt, so ist es doch das Gegenteil von Omnivore: Es benötigt zwingend ein Abo, ist nicht Open-Source und es gehört auch noch zu Amazon eww.

Die Kandidaten

Für die Verwendung einer einfachen und simplen Später Ansehen Funktion habe ich mir überlegt, stattdessen auf Instapaper zurückzugreifen. Ich habe Instapaper schon vor Ewigkeiten aktiv benutzt und kenne es gut. Die App und Website hat sich zwar in den letzten Jahren überhaupt nicht verändert und wurde schon öfter hin und her verkauft und dann doch wieder unabhängig; ich habe zugegebenermaßen die Übersicht verloren. Aber es wird konstant der selbe Service angeboten und das ist gut. Ein Abonnement macht aber leider keinen Sinn hier, denn dann könnte ich auch direkt Readwise nutzen.

Instapaper könnte auch die Newsletter-Funktion ersetzen und ich habe die Hoffnung, dass hier eine Integration mit Obsidian zur weiteren Sammlung an einem zentralen Ort möglich ist. Leider kann man in Instapaper nicht unbegrenzt Sätze hervorheben und kommentieren, deshalb ist es hier auch zentral wichtig, dass ich die gespeicherten Artikel direkt in Obsidian übernehmen kann, um dann dort zu lesen und dort auch Notizen hinzufügen zu können.

Was RSS angeht, kann ich natürlich einfach einen RSS-Reader nutzen, aber ich habe hier bereits eine gute Alternative gefunden, die es mir erlaubt, RSS-Feeds direkt in Obsidian lesen zu können und bei Bedarf in eine Notiz zu übernehmen. An so einen Workflow könnte ich mich vermutlich gewöhnen. Sonst würde ich RSS-Feeds einfach in Thunderbird abonnieren und dann bei Bedarf per Mail an Instapaper senden und so importieren. Aber das muss ich erst einmal testen.

Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn ich alles direkt in Obsidian importieren könnte, oder alternativ in Logseq (was ich eigentlich mehr mag, aber keine Plugins auf dem iPad anbietet bisher). Ich muss sehen, wie sich das weiterentwickelt, wenn ich eine finale Lösung gefunden habe, die sehr weit von dem hier beschriebenen Optimalszenario abweicht, dann werde ich einen neuen Beitrag dazu verfassen.

Vielleicht ergibt sich bis dahin aber auch noch eine Möglichkeit, dass jemand anderes Omnivore weiterentwickelt und ich es selfhoste, oder es taucht ein neues Tool auf, das alle meine Kritikpunkte an den Alternativen eliminiert.

Stand heute bin ich seit ungefähr 2 Wochen aktiv auf Mastodon unterwegs und habe meine Anwesenheit auf Twitter dementsprechend massiv verringert. Anders als bei meinen bisherigen Erfahrungen auf Mastodon – vor dem ganzen Chaos um den reichsten Idioten der Welt und seinen unfreiwilligen Kauf der relevantesten Microblogging-Seite des Internets – fühlt sich die Nutzung von Mastodon jetzt merkbar anders an; das Mammut ist zum Leben erwacht.

Noch vor einigen Monaten, als die Kontroverse um den möglichen Twitter-Kauf den für den Notfall geplanten Wechsel zu Mastodon erstmalig als Thema herbeiführte, waren viele noch nicht überzeugt genug, dass sich der Wechsel wirklich lohnt. Zwar sind damals schon die Nutzerzahlen Mastodons stark gestiegen, aber diese Welle flachte schnell wieder ab, als es auch in den Medien wieder ruhiger um Musk wurde. Viele haben sich auch nur bereits als Präventivmaßnahme eine Präsenz in diesem neuen Netzwerk angelegt, um später dann auf diese zurückgreifen zu können, wenn der Fall der Fälle wirklich eintritt.

Und ja, wie soll ich es sagen: Mastodon erfährt seit den chaotischen Zeiten auf Twitter ein rasantes Wachstum an Nutzern und zu meiner Begeisterung scheint sich das neue Netzwerk besonders auch im deutschsprachigen Raum durchzusetzen. Selbst die sonst nicht gerade als sonderlich experimentierfreudig und modern wahrgenommenen öffentlichen Informationskanäle und Social Media Präsenzen vieler Ämter, Behörden und Ministerien sind sogar schon auf Mastodon vertreten. Außerdem haben sich auch einige bekanntere Persönlichkeiten dort bereits niedergelassen und erproben sich an der spannenden und interessanten neuen Welt der föderierten und dezentralisierten Plattformen.

Und was heißt das jetzt für mich?

Ich konnte an mir selbst beobachten, dass durch die aktive und (vor allem verglichen mit Twitter) sehr freundliche Umgangsweise auf Mastodon es mir dort immer besser gefällt. Der große und nach wie vor weitergehende Nutzerzuwachs verstärkt diesen Effekt umso mehr. Zugegeben, ich habe auf Twitter vor allem technische und politische Neuigkeiten verfolgt und manchmal auch kommentiert, durch den großen Anteil an technisch begeisterten Early Adoptern und Datenschutzliebhabern auf Mastodon bin ich dort natürlich direkt inmitten meiner zwei Lieblings-Themen gelandet.

Was ich auch beobachten konnte ist, dass ich je länger ich Mastodon aktiv benutze immer weniger das Bedürfnis habe, auch Twitter zu öffnen und dort zu schauen, was gerade abgeht. In den ersten Tagen habe ich beide Apps und Websites quasi noch 50/50 genutzt, jetzt habe ich bemerkt, dass ich seit mindestens 5 Tagen die Twitter-Website nicht mehr geöffnet und die App mit dem blauen Vogel sogar schon deinstalliert habe. Ich fühle mich auf Mastodon einfach wohler.

Besonders gut gefällt mir auch folgendes: Trotz einer vielfach geringeren Zahl an Followern wird dort vielfach mehr interagiert. Das liegt bestimmt auch primär daran, dass es keinen Algorithmus gibt, der mir maßgeschneiderten Content zuspielt, sondern dass das, was ich auf meiner Timeline sehe auch das ist, was ich sehen will, weil ich den Personen selbst gefolgt bin. Außerdem ist alles dort chronologisch, wie in den guten alten Zeiten bei Twitter auch.

Mögliche Probleme

Mastodon ist trotz allem, was ich bis hierhin schon lobend erwähnt habe auch nicht perfekt. Es gibt ein paar Dinge, die problematisch werden könnten, vor allem auf längere Sicht. Eines dieser möglichen Probleme ist die fehlende Professionalität auf den meisten Instanzen. Natürlich, es ist ein großer Vorteil wie man gerade an Twitter erkennt, wenn ein Soziales Netzwerk nicht von einem gewinnorientierten Konzern geführt wird. Da bei Mastodon jedoch jeder der dies möchte seine eigene Instanz betreiben und für andere zugänglich machen kann (das ist der Sinn hinter dem Fediverse und der Dezentralisierung/Föderation), hat das zur Folge, dass die meisten Serverbetreiber und Moderatoren einfache Privatpersonen sind, die diese wichtige Aufgabe in ihrer Freizeit, quasi als Hobby, durchführen. Das ist kein Problem, solange die Instanzen eine Größe beibehalten, in der sie keine großen Kosten verursachen und sich leicht moderieren lassen, aber es wird zu einem Problem, wenn es für die Privatperson zu viel wird. Was macht man, wenn man sich den Betrieb des Servers nicht mehr leisten kann, oder mit dem Moderieren problematischer Beiträge nicht hinterher kommt?

Das ist für das Netzwerk als Gesamtes betrachtet kein Problem. Wird eine Instanz nicht aktiv moderiert und es kommt zu viel fragwürdiger Content von dort, so steht es jedem anderen Serverbetreiber frei, diese Instanz auf eine Blacklist zu setzen und die Föderation mit ihr zu beenden. Eine etwas brutale Methode, aber nicht ungewöhnlich, wie der Fall Gab anschaulich zeigt. Geht die Instanz hingegen pleite, können die Nutzer (solange der Server noch läuft) ihren Account einfach auf eine andere Instanz “umziehen”, inklusive ihrer Follower und gefolgten Accounts. Die bisherigen Posts gehen zwar dabei verloren, aber immerhin verliert man seine Bubble dadurch nicht.

Fazit

Ich bleibe erstmal dabei: Mastodon > Twitter. Und daher werde ich auch fürs erste weiterhin auf Mastodon aktiv bleiben und Twitter ignorieren. Das darf ruhig auch als ein erneuter Aufruf an meine Twitter-Bubble gelesen werden, Mastodon eine Chance zu geben und den Sprung ins Fediverse zu wagen. Macht euch einfach einen Account auf einer Instanz, die euren Interessen am besten entspricht (bitte nicht auf mastodon.social!!). Es ist weit weniger kompliziert als es auf den ersten Blick aussieht und man findet sich nach kurzer Eingewöhnungsphase schnell zurecht. Mein aktiv genutzter Account dort ist @MarcRnt@sueden.social.